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Störstrahlunterdrückung bei der radiometrischen Füllstandmessung

Störstrahlunterdrückung bei der radiometrischen Füllstandmessung

27 Juli 2007

Berthold Technologies: Radiometrische Füllstandmessungen sind besonders zuverlässig und zeichnen sich durch eine hohe Verfügbarkeit aus. Sie messen den Füllstand berührungslos und kommen daher gerade bei schwierigen Messaufgaben zum Einsatz. Bisher war die Verfügbarkeit von radiometrischen Messungen jedoch immer dann eingeschränkt, wenn auf dem Betriebsgelände Material- oder Schweißnahtprüfungen durchgeführt wurden. Eine neu entwickelte Technologie ermöglicht es, den Einfluss der Fremdstrahlung auf die Messung stark zu reduzieren.

 

Die für Schweißnahtprüfungen eingesetzten radioaktiven Strahler sehr hoher Aktivität erzeugen so starke Strahlenfelder, dass radiometrische Messungen selbst in Entfernungen von bis zu 1000 m noch außer Tritt gebracht werden können. Eine neue Technologie soll dies verhindern. In einem umfangreichen Feldversuch wurde ein mit dieser Technologie ausgestattetes radiometrisches Füllstandmesssystem vom Typ LB440-RID von der Fachstelle Radiometrie der BASF in Ludwigshafen in Zusammenarbeit mit Berthold Technologies auf die Praxistauglichkeit erfolgreich erprobt.

Bei der BASF muss am Sumpf einer Destillationskolonne in einer Produktionsanlage über einen Messbereich von 1 800 mm der Füllstand automatisch geregelt werden. Die besondere Herausforderung an dieser Messstelle ist die hohe geforderte Genauigkeit von 1 % des Messbereichs und die hohe Zuverlässigkeit. In der Vergangenheit wurde dort eine Standmessung nach dem Prinzip des Differenzdrucks verwendet. Die Messsonde verschmutze jedoch sehr schnell und zeigte falsche Füllstandwerte an, so dass das Produkt nicht mehr innerhalb der geforderten Spezifikation hergestellt werden konnte. Es bestand die Gefahr, dass „schlechtes“ Produkt in die Lagertanks gelangt und das dort gelagerte „gute“ Produkt verschmutzt. Erst durch den Einbau einer radiometrischen Füllstandmessung konnten die Genauigkeits- und Zuverlässigkeitsanforderung erfüllt werden. Die Regelung arbeitet seit vielen Monaten einwandfrei und das Produkt wird seither konstant mit der geforderten Qualität hergestellt.

Einziger Wermutstropfen: In direkter Nachbarschaft zum Produktionsgebäude befindet sich eine Werkstatt zur Fertigung von Rohrleitungen. In dieser werden in unregelmäßigen Abständen etwa einmal pro Woche Schweißnahtprüfungen vorgenommen. Hierzu werden vor allem Strahler des Isotops Selen 75 mit einer Aktivität von bis zu 2500 GBq eingesetzt – diese ist um einen Faktor 40 000 stärker als die in der Messung eingesetzte Kobalt 60 Quelle mit 0,06 GBq. Hinzu kommen Schweißnahtprüfungen in der Umgebung, zum Beispiel auf Rohrbrücken oder bei Umbauarbeiten in benachbarten Gebäuden. Der benachbarte Produktionsbetrieb wird vorab über die Schweißnahtprüfungen informiert und der Füllstand wird in dieser Zeit – üblicherweise zwei bis vier Stunden – manuell geregelt. Ein Mitarbeiter der Produktion muss während dieser Zeit die Füllstandregelung ständig überwachen. Er ist für diese Zeitdauer gebunden und kann seine eigentlichen Aufgaben nur eingeschränkt erledigen. Die auf Hand genommene Füllstandregelung kann zu Schwierigkeiten im Betrieb der Kolonne führen. Es besteht die Gefahr, nicht spezifikationsgerechtes Produkt zu erhalten.
 

Um die Beeinflussung durch Fremdstrahlung auf die Messung zu minimieren, wurde in Erwägung gezogen, den 2 m langen Detektor mit einem Bleimantel zum Schutz vor Fremdstrahlung zu versehen. Nachteilig an diesem Vorgehensind aber die hohen Material- und Fertigungskosten einer solchen Abschirmung. Zudem erfordert die Befestigung der bis zu 500 kg schweren Abschirmung einen hohen mechanischen Aufwand. Da der Detektor jedoch in Richtung des Behälters unabgeschirmt bleiben muss, kann eine starke Beeinflussung durch Fremdstrahlung auch weiterhin nicht sicher ausgeschlossen werden. Als Lösung für dieses Problem wurde schließlich von der Fachstelle Radiometrie der BASF das neue radiometrische Füllstandmesssystem LB440-RID mit eingebauter Fremdstrahlungsunterdrückung installiert, welches zunächst umfangreichen Tests unterzogen wurde.  

Das Nuklid macht den Unterschied 

Das LB440-RID-System basiert auf der Tatsache, dass bei Standmessungen und Schweißnahtprüfungen unterschiedliche Nuklide zum Einsatz kommen. Während bei Füllstandmessungen in der Regel die Nuklide Co-60 (Gammaenergie ~1300 keV) und Cs-137 (Gammaenergie ~660 keV) verwendet werden, liegt die Energie der Strahlung der bei Schweißnahtprüfungen nahezu ausschließlich verwendeten Nuk lide Se-75 (~400 keV) und Ir-192 (~500 keV) deutlich niedriger. Trifft ein Strahlungsquant auf den Detektor des Messsystems, entsteht dort ein kurzer Spannungspuls. Je höher die Energie des absorbierten Strahlungsquants, desto höher ist im Mittel auch der resultierende Spannungspuls. Um den Einfluss der Umgebungsstrahlung und des Rauschens der Elektronik auf die Messung zu vermeiden, werden nur Pulse gezählt, die größer sind als die „Messschwelle“ von 50 mV. Das Bild auf der nächsten Seite (links) zeigt die Pulshöhenverteilungen von Co-60 und von Ir-192, die mit einem Stabdetektor aufgenommen wurden.

Da die Co-60-Strahlung eine höhere Energie hat als die Strahlung von Ir-192, sind auch die Spannungspulse von Co-60 im Mittel höher. Würde die Schwelle der Messelektronik von 50 mV auf 600 mV erhöht, würde nur noch die Co-60-Strahlung zur Zählrate beitragen – die Messung wäre unempfindlich gegenüber Fremdstrahlung. Solch ein Lösungsansatz hat aber den Nachteil, dass auch der Großteil der Co-60-Pulse unterhalb 600 mV liegen und nicht mehr gezählt würden. Dies einfach durch eine höhere Strahleraktivität auszugleichen, verbieten die Grundsätze des Strahlenschutzes, die eine Minimierung der Aktivität fordern. Außerdem tritt Fremdstrahlung nur relativ selten auf und man kann daher fast immer mit einer niedrigen Schwelle und hoher Pulsrate arbeiten.

Das Messsystem misst deshalb mit zwei unterschiedlichen Schwellen, einer niedrigen bei 50 mV (Messkanal) und einer hohen bei 600 mV (Ersatzkanal). Im Messkanal werden so alle Co-60- und Fremdstrahlungspulse gezählt. Der Ersatzkanal dagegen zählt nur Pulse größer 600 mV, die fast ausschließlich aus der Co-60-Quelle stammen. Die zwei Kanäle werden bei der Inbetriebnahme der Messung so kalibriert, dass mit beiden der Füllstand im Behälter gemessen werden kann. Im normalen Betrieb zeigen beide Kanäle denselben Füllstand an, das Auswertegerät gibt aber ausschließlich den Füllstandwert aus dem Messkanal zur automatischen Regelung weiter.

Trifft Fremdstrahlung auf den Detektor, nimmt die Impulsrate im Messkanal sehr stark zu und damit der Füllstand ab, während der Ersatzkanal davon unbeeinflusst bleibt. Überschreitet die dadurch entstandene Differenz des Füllstands zwischen Mess- und Ersatzkanal (Kanaldifferenz) einen vorgegebenen Toleranzwert, schaltet die Auswerteeinheit das Ausgangssignal automatisch vom Messauf den Ersatzkanal um. Der Füllstand kann dann mit dem Ersatzkanal-Signal auch während des Einflusses von Fremdstrahlung zuverlässig bestimmt werden.

Nach Beendigung der Schweißnahtprüfung steigt der Füllstand im Messkanal wieder auf den normalen Pegel zurück (Bild auf der vorherigen Seite, rechts) und die Auswerteeinheit schaltet auf den empfindlichen Messkanal zurück. Durch dieses Verfahren wird der Einfluss von Fremdstrahlung auf die Messung um mehr als einen Faktor 100 reduziert. Dafür muss die Energiedifferenz zwischen Messstrahler und Fremdstrahler allerdings ausreichend groß sein. Bestehende Füllstandmessungen mit Cs-137-Strahlern müssen daher auf Co-60 umgerüstet werden. Am Detektor selbst sind in der Regel keine Änderungen nötig, da nur die Software der Auswerteeinheit auf die neue Funktion aufgerüstet werden muss.
 

 Labortests und Feldversuch

Vor der Feldinstallation wurde das System im Labor der Fachstelle Radiometrie der BASF ausführlichen Tests unterzogen. Dazu wurde eine radiometrische Füllstandmessung an dem vorhandenen Laborteststand aufgebaut und bei steigendem als auch bei fallendem Füllstand Fremdstrahlung erzeugt. Das System funktionierte zuverlässig (Bild unten rechts) und schaltete erwartungsgemäß vom Mess- in den Ersatzkanal um. Der Stromausgang der Füllstandmessung zeigte trotz Fremdstrahlung die Zu- oder Abnahme des Füllstandes korrekt an.

Erst danach wurde das System am Sumpf der Destillationskolonne in einer Produktionsanlage installiert und an ein Datenerfassungssystem angeschlossen. Auch dort wurde die radiometrische Füllstandmessung mehrfach gezielt unterschiedlich starker Fremdstrahlung ausgesetzt. Dabei wurde aus verschiedenen Richtungen sowohl mit Se-75 als auch mit Ir-192 bestrahlt. Die Störungen wurden zuverlässig erkannt und unterdrückt. Auch die im Nachbargebäude stattfindenden Schweißnahtprüfungen beeinflussten die Messung nur noch minimal. Allerdings konnte bei sehr schwacher Fremdstrahlung die Genauigkeitsanforderung von 1 % des Messbereichs nicht immer eingehalten werden. Da vom Mess- auf den Ersatzkanal nur dann umgeschaltet wird, wenn die Kanaldifferenz den Toleranzwert überschreitet, können Beeinflussungen des Füllstands kleiner als ~3 % nicht unterdrückt werden. Die radiometrische Messung ist seit der Aufrüstung der Füllstandmessung auf LB440-RID für die automatische Regelung kontinuierlich verfügbar, auch während Schweißnahtprüfungen. Der manuelle Betrieb gehört der Vergangenheit an. Es ist angedacht, im Zuge von Modernisierungen und Erweiterung bei der BASF in Ludwigshafen weitere Füllstandmessstellen mit der automatischen Fremdstrahlungsunterdrückung auszurüsten.
 

RADIOMETRISCHE MESSUNG 

Bei schwierigen Messaufgaben – komplexen Behältern mit Einbauten, hohen Drücken oder aggressiven Medien – gibt es in vielen Anwendungen bis heute keine Alternative zum Einsatz der radiometrischen Füllstandmessung. Radiometrische Füllstandmessgeräte arbeiten berührungslos. Sie bestehen aus einer Strahlenquelle und einem Stabdetektor auf jeweils gegenüberliegenden Seiten des Behälters. Die Quelle ist von einer Abschirmung aus Blei umgeben, die radioaktive Strahlung nur in Richtung des Behälters freigibt. Ein Teil der Strahlung durchdringt die Behälterwände und erreicht den Detektor. Steigt der Füllstand an, wird die Strahlung geschwächt und die Zählrate am Detektor fällt.

Für Anwender:

  • In großen Anlagen und Industrieparks finden häufig Schweißnahtprüfungen statt, die radiometrische Messungen beeinflussen können.
  • Aus diesem Grund müssen Schweißnahtprüfungen im Vorfeld angemeldet und genehmigt werden. Automatische Füllstandsregelungen werden für die Zeit der Prüfungen manuell bedient. In kritischen Anwendungen muss die Produktion unterbrochen werden.
  • Das radiometrische Füllstandmessgerät LB440-RID basiert auf einer neuen Technologie, die auch unter Einwirkung von Störstrahlung zuverlässige Messdaten liefert, und so die kontinuierliche automatische Füllstandmessung ermöglicht.

Für Planer:

  • Radiometrische Füllstandmessgeräte arbeiten berührungslos und kommen bei schwierigen Messaufgaben zum Einsatz.
  • Radiometrische Messgeräte bedingen keinerlei Veränderungen am Behälter und können nachträglich montiert werden.
  • Das Messergebnis der radiometrischen Füllstandmessung ist von chemischen und physikalischen Produkteigenschaften unabhängig.
 

  • BERTHOLD Technologies GmbH & Co. KG
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